Christian Dürr

Gastbeitrag für bank und markt

Von Christian Dürr

Digitale Transformation, neue innovative Geschäftsmodelle, historisch niedrige Zinsen und zunehmende Regulierung prägen seit vielen Jahren die internationale Bankenlandschaft. Das klassische Banking hat sich dadurch zweifellos verändert. Welche Schritte sind in den nächsten Jahren von zentraler Bedeutung? Welchen Stellenwert sollten wir der Differenzierung der Bankenregulierung geben? Welchen Einfluss hat die Regulierung auf die digitale Transformation und welche Rolle wird dabei eigentlich den innovativen FinTechs zuteil?

Zunächst muss konstatiert werden: Die Verschärfung der Bankenregulierung nach der Finanzkrise war zweifellos richtig. Auch wenn die regulatorischen Anforderungen unseren deutschen Banken und Sparkassen das Leben manchmal schwer machen – wir sollten von einer generellen Kritik der regulatorischen Anforderungen Abstand nehmen. Nichtsdestotrotz sollte man darauf verweisen, dass wir bei pauschalen One-size-fits-all-Lösungen, aufgrund einer übermäßigen Belastung für die kleinen und mittleren Banken, deutlich zurückhaltender agieren sollten als bisher. Es ist zwar erfreulich, dass es in der Regulation bereits heute einige Differenzierungen bezüglich des spezifischen Geschäftsmodells oder der Unternehmensgröße gibt (zum Beispiel im Berichtswesen oder bei den Offenlegungspflichten) – ausreichend sind diese aber keineswegs. So werden kleine und mittlere Institute nach wie vor von enormen Fixkosten belastet, die ihnen beispielsweise aus proportional höheren Personal- oder IT-Bedarfen entstehen.

Ist eine weitere Differenzierung notwendig?

Größere Institute profitieren gegenüber ihren kleineren Wettbewerbern derzeit bei der Bankenregulierung zweifellos von Skaleneffekten. Insgesamt gibt es zwei zentrale Gründe, die uns dabei besorgt stimmen sollten: Erstens ist es problematisch – insbesondere im Hinblick auf die Anreizstruktur – wenn ausgerechnet die Regulatorik dazu führt, dass die Unternehmensgröße einen Wettbewerbsvorteil darstellt. Zweitens müssen wir zwingend dafür sorgen, dass wir in der Finanzbranche für alle Marktteilnehmer gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen. Sobald es zu regulatorischen Anforderungen kommt, die einen spezifischen Teil der Institute besonders belasten, dann widerspricht das nicht nur jeglichen ordnungspolitischen Regeln, sondern vor allem ist es auch kontraproduktiv für den gesamten Markt. Die Folgen liegen auf der Hand: Kleinere Institute werden vom Markt verschwinden, und die Diversität des Angebots für die Kunden wird sich schrittweise reduzieren. Eine Vereinheitlichung des Bankenmarktes wäre die logische Konsequenz.  

Die Bundesregierung hat die Aufgabe, mit den deutschen Banken und Sparkassen den konstruktiven Dialog zu diesen Fragen fortzusetzen. Wir Freien Demokraten suchen diesen Dialog seit vielen Jahren und werden auch künftig an lösungsorientierten Konzepten arbeiten, damit den Banken und Sparkassen auch die nötige Luft zum Atmen gegeben wird. Dabei geht es nicht darum, Anliegen der Branche blind zu folgen, dafür sind die Erfahrungen aus der Finanzkrise zu gravierend. Letztlich gilt aber doch: Die Kreditinstitute selbst müssen gehört werden, da sie am besten wissen, an welchen Stellschrauben Handlungsbedarf besteht und welche Belastungen mit welchen Eingriffen verbunden sind. In Fragen der weiteren Regulation sollte zudem jetzt abwartend reagiert werden, zumal auch jenseits der Bundespolitik neue regulatorischen Richtlinien (z.B. Basel IV) ohnehin bereits in den Startlöchern stehen und aktuell auch die Umsetzung von AnaCredit – erstmals in 2018 - noch Kopfschmerzen bereitet, um nur einige Stichworte zu nennen.

Wozu hat das Tandem „Regulierung/Digitalisierung“ geführt?

Insgesamt befinden sich Banken und Sparkassen aktuell in einem historisch nie gekannten Spannungsfeld von Regulierung, historischer Niedrigzinsphase und Digitalisierung. Die oben angerissene Regulierung belastet die Flexibilität, die Niedrigzinsphase wirkt sich negativ auf die Einnahmeseite aus und die Digitalisierung verändert nicht nur das operative Geschäft, sondern vor allem auch den Wettbewerb. Besonders herausfordernd wird es, wenn man einen Blick auf die Kombination aus Regulierung und Digitalisierung wirft, denn die regulatorischen Anforderungen ziehen enorme Folgen in Bezug auf die IT-Architekturen nach sich. So müssen zum Beispiel zunehmend detailliertere Reportings zur Verfügung gestellt werden – idealerweise in Echtzeit. Die Banken und Sparkassen waren daher in den vergangenen Jahren gezwungen, Milliarden Euro in den Aufbau einer integrierten Finanz- und Risikoarchitektur zu investieren. In der Folge kam es zu einem enormen Anstieg der Datenkomplexität, die nicht nur finanzielle und personelle Ressourcen bindet, sondern auch stetig weitere Anforderungen an die IT-Infrastruktur stellt.

Welche Rolle spielen dabei die FinTechs?

Während sich die Institute des traditionellen Bankenmarkts also intensiv mit regulatorischen Anforderungen und digitaler Transformation beschäftigen und dafür massive Ressourcen bereitstellen müssen, wächst seit Jahren die junge und flexible FinTech-Szene. Mit kreativen und innovativen Produkten ergänzen sie in hohem Tempo die weltweite Bankenbranche und leisten dabei wesentliche Beiträge für einen dynamischen und wettbewerbsfähigen Finanzplatz. Ob es um den Zahlungsverkehr, um die Kreditvergabe oder um das klassische Anlagegeschäft (vom Daytrading bis hin zur konventionellen Anlage) geht – viele Geschäftsmodelle bieten mithilfe neuester mobiler Lösungen einen enormen praktischen Effizienznutzen für die Kunden und nehmen den traditionellen Banken teilweise in radikaler Geschwindigkeit enorme Marktanteile.

Die Relevanz dieser jungen Unternehmen ist in den vergangenen Jahren spürbar gewachsen. So existierten in Deutschland einer Studie im Auftrag des BMF zufolge in 2015 433 FinTechs mit einem Marktvolumen von rund 2 Milliarden Euro. Ihr Stellenwert für den gesamten Finanzmarkt als Motoren für Innovation und disruptive Umbrüche – und damit auch als Partner der Banken – kann dabei gar nicht überschätzt werden. In einem Regulierungsvorschlag der Bundesbank forderte Präsident Weidmann Anfang des Jahres einen gemeinsamen europäischen Kriterienkatalog für die regulatorische Behandlung der FinTechs. Bei der Konzeptionierung der konkreten Regeln ist nun allerdings Vorsicht geboten: Erstens müssen natürlich auch die FinTechs gewisse regulatorische Vorgaben erfüllen. Es darf vor allem durch das Ausnutzen von Schlupflöchern keine asymmetrische Wettbewerbssituation entstehen. Zweitens ist, analog zur gesamten Branche, auch bei den FinTechs von pauschalen Lösungen abzusehen, die der Diversität der Fintech Szene nicht gerecht würden. Fintechs fokussieren sich aus Flexibilitäts- und Kostengesichtspunkten in der Regel lediglich auf spezifische Teilbereiche des Geschäftsmodells einer traditionellen Bank. Gleichzeitig gibt es am Markt aber sehr wohl auch FinTechs, die alle zentralen Teilbereiche des klassischen Bankgeschäfts bedienen. Eine Allround-Lösung für die gesamte Branche würde insofern eine kontraproduktive Wirkung entfalten. Drittens müssen wir zwingend aufpassen, dass wir die innovativen Unternehmen durch überzogene Regulierung nicht vertreiben. Sollten die Regeln zu scharf formuliert werden, könnten derart hohe Markteintrittsbarrieren entstehen, dass diese eine Vollbremsung dieses Innovationsmotors für Deutschland auslösen können.

Wie sollten wir uns bei diesem Thema also positionieren?

Der deutsche Markt liegt im europäischen Größenvergleich aktuell nach Großbritannien auf Platz 2. Wir sollten diese gute Ausgangssituation, die sich durch den Brexit noch verbessern kann, nutzen und versuchen, durch kluge und faire Wettbewerbsbedingungen die Pole Position in der EU-27 anzustreben und zu behaupten – allerdings nicht auf Kosten der Qualität. Der internationale Vergleich zeigt, dass die deutsche Gesetzgebung derzeit auf einem guten Weg ist. Nichtsdestotrotz kommt es in der politischen Diskussion immer wieder zu einem Ruf nach einer deutlich strengeren Regulierung, um die Finanzmärkte sicherer und vertrauenswürdiger zu machen. Wir Freien Demokraten werben für eine differenzierte Betrachtung und für einen Blick auf internationale Best-Practice-Beispiele. Es ist in der derzeitigen Situation durchaus sinnvoll, einzelne Elemente anzupassen, um sowohl einen fairen Wettbewerbsrahmen zu erreichen als auch die Attraktivität unseres Standorts zu verbessern.

Dabei lohnt sich durchaus ein Blick nach Großbritannien, das mit dem sogenannten regulatorischen Sandkasten durchaus erfolgreich verfährt und im europäischen Größenvergleich bei den Fintechs derzeit mit Abstand den ersten Platz belegt. Die FinTechs erhalten dort die Möglichkeit, ihre Geschäftsmodelle kontrolliert im realen Kundenumfeld zu testen – ohne vorherige Lizenzverfahren durchlaufen zu müssen. Sobald der regulatorische Sandkasten verlassen wird, muss die Lizenz beantragt werden. Das Konzept schafft dem Standort Großbritannien derzeit zwei wesentliche Vorteile: Einerseits wird in einer Testphase zunächst die Qualität und die Marktfähigkeit des Geschäftsmodells überprüft, womit vor allem auch ein Schutz für die Kunden generiert wird. Andererseits schafft man ein freundliches Klima für die FinTechs und damit einen attraktiven Standort.  

Alles in allem hat die BaFin als deutsche Regulierungsbehörde mit der Einsetzung einer FinTech-Arbeitsgruppe, umfassenden Informationsunterlagen oder einer weitreichenden Auskunftsmöglichkeit bereits einige wichtige Schritte für das oben genannte Ziel unternommen. Dennoch gibt es, insbesondere im Vergleich mit Großbritannien, noch einiges zu tun, um unsere Standortattraktivität nachhaltig zu stärken. Denn insgesamt sollten wir zwingend aufpassen, diesen vielversprechenden Innovationsmotor nicht tot zu regulieren.