Christian Dürr

GASTBEITRAG: Vier-Tage-Woche? Schön, aber nicht zu finanzieren

Weniger arbeiten und fast das Gleiche verdienen – wen würde das nicht reizen? Der Vorschlag von Gewerkschaften und Arbeitsminister Hubertus Heil zu einer Vier-Tage-Woche klingt verlockend. Zeigt nicht gerade die starke Inanspruchnahme der Kurzarbeit, dass wir das Angenehme sehr gut mit dem Nützlichen verbinden können? Schließlich ist es doch gerade die Kurzarbeit, die Unternehmen hilft, durch die Krise zu kommen. Das Konzept klingt schön, zu schön, um wahr zu sein. Denn mit Dauerkurzarbeit werden wir den Wohlstand in diesem Land nicht halten, geschweige denn vergrößern können.

Klar ist: Irgendwo muss der Ausgleich für den Verdienstausfall herkommen. Wer das Gehalt für den neuen freien Tag zahlen soll, wollen aber weder die Gewerkschaften noch Hubertus Heil verraten. Gleiches gilt für die sinkenden Rentenansprüche bei weniger Lohn. Das hat leider System. Ideen für ein vermeintlich angenehmeres Leben haben viele, nur die Kosten und Konsequenzen werden gerne unter den Teppich gekehrt. Fakt ist, dass die massive Kurzarbeit die milliardenschweren Reserven der Bundesagentur für Arbeit in weniger als einem Jahr völlig ausschöpft. Am Ende des Jahres wird ein kräftiger Steuerzuschuss aus dem Bundeshaushalt mit hoher Wahrscheinlichkeit nötig sein. Das bedeutet, dass weniger Geld für Digitalisierung, Bildung, Forschung, für steuerliche Entlastung und für die Rückzahlung der Corona-Schulden zur Verfügung stehen wird.

 

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Das Konzept „Weniger arbeiten und trotzdem den Wohlstand halten“ hat noch nie auf Dauer funktioniert. Auch in den 90er-Jahren dachten viele, als Antwort auf Massenarbeitslosigkeit könnte die Arbeit einfach auf mehr Köpfe verteilt werden, indem jeder Einzelne weniger arbeitet. Weder in Frankreich mit der Einführung der 35-Stunden-Woche noch anderswo ist dieses Konzept je aufgegangen. Die Folgen sind immer die gleichen: stagnierende Löhne und steigende Schulden. Aus der Verschuldung von heute werden dann die Steuererhöhungen von morgen – und die treffen die Mitte der Gesellschaft.

Wir können unsere Volkswirtschaft nicht dauerhaft auf Pump finanzieren. Der einzig erfolgreiche Weg aus der Krise führt über neues Wachstum und mehr Arbeit. In einem ersten Schritt sollten private Haushalte und Unternehmen entlastet werden, damit sich wieder neue Dynamik entfalten kann. Wir müssen den Blick nach vorne richten: Mehr Menschen in Arbeit führen zu mehr Wertschöpfung und mehr Steuereinnahmen. Es mag abgedroschen klingen, aber es ist und bleibt besser, einen größeren Kuchen zu backen, als immer weniger Krümel auf immer mehr Menschen zu verteilen.

Dass ausgerechnet Gewerkschaften und Sozialdemokraten immer wieder nachweislich unwirksame Utopien aus der Mottenkiste holen, macht mir große Sorgen. Denn die Leidtragenden derartiger Experimente sind fast immer diejenigen, die es in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt ohnehin am schwersten haben. Viel sinnvoller wäre es doch, dafür zu sorgen, dass unser Jobmotor wieder läuft, indem man eine Idee der führenden Arbeitsmarktforscher des Landes umsetzt: Um den Betrieben unter die Arme zu greifen, sollten für die nächsten Monate die Sozialversicherungsbeiträge bei Neueinstellungen erstattet werden.

Ein solcher Job-Boost schafft neue Arbeitsplätze und ist in jedem Fall besser, als bestehende Jobs neu aufzuteilen. Nicht nur die Wirtschaft braucht Impulse, auch der Arbeitsmarkt. Wenn es um Vorfahrt für neue Jobs geht, stehen die Freien Demokraten der SPD und den Gewerkschaften gerne zur Seite. Wenn es um eine Schrumpfkur zulasten des Wohlstands geht, haben sie in uns einen erbitterten Gegner.